Lindau, 27. Juni 2017 – Georg Weitzsch hat ursprünglich den Orgelbau erlernt. Heute ist er Heilpraktiker und Kinesiologe. Im Interview sagt Georg, wie es dazu gekommen ist.
Georg Weitzsch ist Gründer und Mitinhaber der Akademie für KomplementärTherapie; er unterrichtet und behandelt seit 1988.
Georg, du warst Orgelbauer. Das hört sich nach einem fantastischen Beruf an, warum hast du ihn aufgegeben?
Ja, das war wirklich eine tolle Zeit. Ich habe über zwanzig Jahre in diesem Beruf gearbeitet – erst die vierjährige Ausbildung, später dann als Intonateur in Spanien und Südfrankreich und ab Mitte der Achtziger in einem eigenen Planungsbüro in Hamburg. Da kamen die Aufträge für Orgelplanungen genau zur richtigen Zeit: So musste ich nicht dauernd auf Reisen sein, als meine Tochter auf die Welt gekommen ist. Ich konnte all meine anderen Interessen unterbringen. Ich hatte mich nämlich immer schon mit der praktischen Anwendung von Bewusstseinstechniken befasst, und zu dieser Zeit war ich schon Yogalehrer und Seminarleiter für Autogenes Training.
Dann bist du eher langsam in deinen neuen Beruf hinein gegleitet?
Ja, dass ich den Beruf als Orgelbauer aufgegeben hätte, könnte ich nicht behaupten. Es war ein Hineinwachsen in eine andere Welt.
Jetzt, also seit 1991, unterrichtest du Kinesiologie, behandelst auch in deiner Praxis damit. Haben Orgelbauen und Kinesiologie etwas gemeinsam?
Nein. Nicht im Geringsten. Bei der Intonation hockst du wochenlang ziemlich einsam in einer Kirche – den Menschen, mit dem du zusammenarbeitest, siehst du nicht, er stehst ja in der Orgel, du sitzt am Spieltisch oder auch umgekehrt. Man hört sich nur und gibt Hinweise, wie der Klang anzupassen ist. Und im Planungsbüro hockst du wochenlang vor dem Zeichenbrett oder dem Computer und hast immer das ganze Gebilde im Kopf, um es aufs Papier zu bringen.
Ziemlich einsam also.
Genau. Zwar sehr fordernd – aber wirklich interessiert hat mich das Unterrichten. Das habe ich gemerkt, als ich ab und zu Seminare für Autogenes Training leitete. Und die direkten Begegnungen mit den Menschen sind mir wichtig.
Du machst täglich Yoga. Was bedeutet dir das?
Es ist richtig, ich habe über viele Jahre hinweg teilweise bis zu zwei Stunden täglich Yoga praktiziert. Aber ich bin schon seit langem Mitglied einer buddhistischen Gemeinde. Heutzutage steht mir täglich eine dreiviertel Stunde für die buddhistische Praxis zur Verfügung, die ich mit Freuden ausübe. Es ist einer der Wesenspunkte meines Lebens.
Indiskrete Frage: Wo habt ihr euch kennengelernt, du und Karin?
Auf einem wunderbaren Touch-for-Health-Ferienkurs auf Hiddensee. Sie war die Dozentin!
Was hat dich überhaupt dazu gebracht, einen Kinesiologie-Kurs zu besuchen?
Ich hatte die Kinesiologie Anfang der Achtziger im Hamburger Yoga-Ashram von 3HO kennengelernt und war sofort fasziniert. Wie es so ist, hat es aber doch noch etliche Jahre gedauert, bis ich tatsächlich auch einen Kurs besucht habe. Nach dem ersten Kurs allerdings hat es mich nicht mehr losgelassen. Es gab einfach zu viele interessante Sachen zu lernen.
Musstest du nicht mutig sein, einen spannenden und einträglichen Beruf einfach aufzugeben für etwas, das damals wohl höchstens belächelt wurde?
Nein, dazu war kein Mut erforderlich. Wie gesagt, es war ja ein schrittweiser Übergang. Viele Jahre habe ich alles parallel gemacht: Orgelplanungen, Kurse geben, als Coach und Therapeut arbeiten.
Du hast dich auch stark dafür eingesetzt, dass Kinesiologie in der Schweiz zu einem anerkannten Beruf mit eidgenössischem Diplom wird. Warum eigentlich?
Als wir in Achberg mit der Kinesiologie-Ausbildung starteten, war die Hälfte unserer StudentInnen SchweizerInnen, ohne dass wir in der Schweiz überhaupt Werbung gemacht hatten. Deshalb haben wir uns frühzeitig um die Schweizer Anforderungen zur Kassenanerkennung gekümmert, damit die Schweizer StudentInnen dann sofort und problemlos ihre Anerkennung erhielten. Dabei wurde uns rasch klar, dass die Schweiz in Bezug auf Komplementärtherapie und Alternativmedizin Avantgarde in Europa ist. Wir sind da einfach in das Engagement hineingewachsen und freuen uns natürlich, dass das nun nach 15 Jahren mit Erfolg gekrönt ist, es gab ja schon viel zu tun.
Du hast gerade Achberg erwähnt. Fast 20 Jahre lang habt ihr eure Schule dort gehabt, sozusagen im Hinterland. Wie hast du dich in Lindau eingelebt?
Ich war vom ersten Tag an zuhause! Karin und ich wollten ja vor 20 Jahren schon nach Lindau und unsere Schule hier führen. Aber es gab nichts Geeignetes und die Villa in Achberg war ausgesprochen attraktiv. Viele Leute wollten Kurse in der grünen Natur machen, das passte zur damaligen Zeit sehr gut. Heutzutage wollen die Menschen aber eher in eine attraktive Stadt, und ich kann das gut verstehen. Dazu kommt, dass wir hier in Lindau den definitiv optimalen Ort für unsere StudentInnen und für uns gefunden haben!
Zum Abschluss: Welchen Tipp würdest du deinem Ich geben, das sich damals überlegt hat, Orgelbauer zu bleiben oder sich auf etwas Neues einzulassen?
Ich würde sagen: Mach’ alles genauso, wie du es gemacht hast – aber alles mit mehr Gelassenheit und Zutrauen.
Danke, Georg.